Kreisverband Wuppertal

Tacheles zu Zuständen in den Jobcentern Wuppertals

Vor vollbesetztem Haus in der Alten Feuerwache, Gathe 6, kam Tacheles-Gründer und -Chef Harald Thomé am Freitag, dem 01.06.2018 um 19 Uhr direkt zur Sache:

Wuppertal hat 380000 Einwohner, ist die 17. größte Stadt in Deutschland, hat 18000 Kinder und Jugendliche. Hiervon leben 33% unterhalb der Armutsgrenze, Dunkelziffer höher.

Die Jobcenter, beauftragt von der kommunalen Verwaltung , sind die Anlaufstelle für schnelle Hilfe, wenn Menschen ihre Arbeit verlieren, krank werden, beim Renteneinstieg mit ihren Einkünften unter das Existenzminimum rutschen oder Menschen durch Trennung oder Scheidung in finanzielle Notlage geraten, wie viele Alleinerziehende.

Hilfe wird gewährt, aber nicht allen und oft nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen, und. in einigen Fällen zu spät.

 

Hierdurch wird das Jobcenter selber für viele Menschen in Wuppertal zum Problem, es verschärft die ohnehin existenziell bedrohliche Situation dieser Menschen, mit dramatischen Folgen: Verschuldung, Obdachlosigkeit, weil Mieten nicht gezahlt werden können. Neue Arbeitsverhältnisse können nicht angetreten werden, weil keine Unterkunft vorhanden ist. Eine neue Unterkunft ist nicht zu bekommen, weil das Jobcenter die Miete nicht bezahlt, Vermieter keine Versorgungsempfänger in ihren Wohnungen mehr haben möchten, weil mindestens mit Unregelmäßigkeiten bei den Mietzahlungen zu rechnen ist…

Der soziale Abstieg dieser Menschen setzt sich oft fort durch Krankheit, besonders psychische Erkrankungen, wie z. B. Depressionen, Gefühlen der Wertlosigkeit bis zur Suizidgefährdung. Seit dem letzten Sommer 2018 sind Tacheles e. V. allein 10 Fälle (Einzelpersonen und Familien) bekannt, die durch die mangelnde Fürsorge des Jobcenters obdachlos geworden sind. Entrechtung und Benachteiligung sind nach Meinung von Experten auch der Nährboden für Radikalisierung und rassistische Stimmung. Ist es daher ein Zufall, dass Arbeitslosigkeit besonders in den Wohnbereichen direkt entlang der Talachse der Wupper vorherrscht und genau hier vor allem die AfD gewählt wurde?

Die Stimmung in den Jobcentern ist entsprechend emotional aufgeladen: Sie ist von Angst und Aggression geprägt, bei den Bittstellern, den berechtigten Empfängern von Sozialleistungen, und inzwischen auch bei Mitarbeitern der Jobcenter, die z. T. um den Einbau von „Panikschlössern“ gebeten haben, im Falle, dass Versorgungsempfänger aggressiv werden. Hinzu kommen Gefühle von Entrechtung und Scham, wenn inzwischen die Bearbeitung von Fällen in Großraumbüros, stattfinden. Das Stigma der „Arbeitslosigkeit“ des „Versagens“ glauben die Menschen, stehe einem auf die Stirn geschrieben.

Wer trägt nun „Schuld“ an diesen Zuständen?

Die Sozialhilfeempfänger selbst, weil sie nicht rechtzeitig oder vollständig Dokumente einreichen konnten oder wollten…? Sie werden sanktioniert, Leistungen werden teilweise oder ganz gestrichen.

Das Personal, weil es unterbesetzt, schlecht ausgebildet, dem emotionalen Druck nicht gewachsen ist…?

Die Leitung des Jobcenters, die nicht genügend Personal einstellt, weil der Stadtkämmerer strengstes Sparen einfordert, ihr Personal nicht adaequat ausbildet, nicht unter Kontrolle hat oder auf mindestens einem Auge blind ist,, weil für sie, die von Tacheles gemeldeten Fälle nur „Einzelfälle“ seien? Oder - weil die Leitung des Jobcenters Teil des Systems einer neo-liberalen Gesellschaft ist, in der Arme ausgebeutet und Reiche reicher werden. Interessiert sie das Schicksal einzelner Menschen nicht? Wie konnte es dazu kommen, dass das Jobcenter die existenziell bedrohliche Situation vieler Menschen in Wuppertal verschärft, statt diesen Menschen die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen zu gewähren?

Es ist bekannt, dass gesetzlich vorgeschriebene Zeiten zur Bearbeitung der Fälle von den Mitarbeitern öfter nicht eingehalten werden. Es wird z. T. nicht beachtet, dass Alleinerziehende mit Kindern die Berechtigung haben, in einer größeren Wohnung zu wohnen, stattdessen werden sie genötigt umzuziehen oder werden sanktioniert. Leistungsberechtigten werden keine Mietleistungen zuerkannt, die sich an tatsächlichen Mieten ( siehe Wohngeldgesetz) orientiert, z. B. am Mietpreisspiegel, sondern die Leitung des Jobcenters hat sich offensichtlich einen eigenen, niedrig gehaltenen Mietwert ausgedacht, um Geld einzusparen. Die Folge ist, dass Leistungsbezieher monatlich durchschnittlich um insgesamt 13,89 € vom Jobcenter betrogen werden. In Einzelfällen müssen diese dann bis zu 100 € monatlich aus ihren Regelbezügen zuzahlen.

Besonders dubios ist, dass das Jobcenter ein Unternehmen beauftragt hat, Bezieher sozialer Leistungen medizinisch zu untersuchen. Die Methoden der Untersuchung müssten allerdings mal in Frage gestellt werden. Es wurde berichtet, man habe einen Sozialhilfeempfänger Kniebeugen machen lassen, um festzustellen, ob er wirklich psychisch krank sei. Es wurde auch berichtet, dass dieses Unternehmen Entscheidungen über das Schicksal von Menschen träfe und dass es seinen Entscheidungen Rechtsbehelfsbelehrungen anfüge. Es liegt der Verdacht nahe, dass es sich damit rechtlich der Nötigung und Amtsanmaßung schuldig macht! Ein Besucher des Abends wies noch auf die millionenschweren Umsätze des Unternehmens hin.

Großes Mitgefühl gab es an diesem Abend für die Menschen, die offen und gefasst über ihre eigenen schlechten Erfahrungen mit dem Jobcenter berichteten. Es gab viel Zustimmung für die Ausführungen von Harald Thomé. Die Arbeit von Tacheles. V. kann mit seinen Bemühungen einzelnen Betroffenen helfen.

Kern der Problematik scheint in der Arbeit der Leitung des Jobcenters zu liegen. Diese hat jedoch keinerlei offene Ohren für Kritik an ihrer Arbeit und gibt sich selbst die Schulnote 2,1, sich auf eine Umfrage berufend. Tacheles kommt dagegen bei seiner Umfrage auf die Schulnote 4,6. für die Leistung des Jobcenters: Viele Berechtigte empfänden die Leistungen des Jobcenters als mangelhaft bis ungenügend mit existenzbedrohenden Folgen für ihr Leben.

Auch dem Kreisverband der Linken, den Veranstalten des Informationsabends, sind die Misstände im Jobcenter durch ihre Mitglieder sehr wohl bekannt. Im Stadtrat vorgetragen, werden jedoch Bedenken von den anderen Parteien einfach ignoriert.

Von Resignation konnte dennoch bei allen Anwesenden keine Rede sein.

Harald Thome gab Geschädigten abschließend handfeste Tipps, für den Umgang mit dem Jobcenter:

  1. Man sollte möglichst nicht allein zum Jobcenter gehen. Ist eine Person dabei, wird man besser behandelt.

  2. Von Dokumenten sollte man, bevor man sie abgibt, Fotokopien machen, auf denen man sich die Abgabe von Dokumenten schriftlich bestätigen lässt.

  3. Man sollte sich ausführlich nach seinen Rechten im Internet informieren. Im Zweifelsfall kann man sich kostenlos von Tacheles e. V. beraten lassen Beratung gibt es an zwei Terminen pro Woche.

  4. Falls bei existentieller Not im Dringlichkeitsfall keine Hilfe innerhalb von 14 Tagen erfolgt, sollte man keine Scheu haben, Strafanzeige zu stellen oder einen Richter nach einer einstweiligen Verfügung zu fragen.

  5. Eine Petition kann man starten, sich an einen Bundestagsabgeordneten wenden, eine Zeitung, den WDR oder andere Medien kontaktieren.

  6. Politisch handeln ist wichtig, sich zusammnschließen mit anderen Betroffenen, Aktionsgruppen, Parteien. Zusammen sind wir stark!

  7. Man sollte sich auf jeden Fall wehren,“ im Zweifelsfall am Jobcenter anketten“, so Harald Thomé mit einem Augenzwinkern.

Am Ende des Abends, der trotz der beklemmenden Sachverhalte in entspannter und freundlicher Atmosphäre stattfand, gab es schließlich begeisterte Zustimmung zu dem Vorschlag, die Leitung des Jobcenters zu einem klärenden Gespräch einzuladen.

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